Auf dieser Seite möchten wir Sie etwas genauer in unseren Orchesteralltag hineinsehen lassen und ein paar besondere Informationen teilen.
Profi–Geigerin Johanna Pichlmair im Interview:
„Amateurorchester spielen mit Herz und Seele – das berührt mich sehr“
Das Berlin–Brandenburgische Sinfonieorchester e.V. spielt am 3. und 4. Juni 2023 gemeinsam mit der Violinistin Johanna Pichlmair Tschaikowskys Violinkonzert. Hier spricht die Geigerin der Berliner Philharmoniker über die besonderen Schnittstellen zwischen professioneller Musikbranche und der
Amateurmusikszene.
Liebe Frau Pichlmair, unser Orchester hat bald die große Ehre, mit Ihnen Tschaikowskys
Violinkonzert aufzuführen. Spielen Sie es zum ersten Mal?
Johanna Pichlmair: Nein, ich habe das Konzert vor 15 Jahren schon einmal gespielt. Damals
war ich 18 Jahre alt, habe es monatelang geübt und damit dann auch meine
Aufnahmeprüfung am Mozarteum in Salzburg bestanden. Dieses Konzert hat deshalb eine
besondere Bedeutung für mich – es war meine Eintrittskarte in die professionelle Musikwelt.
Seit 2020 spielen Sie in der Gruppe der Ersten Geigen bei den Berliner Philharmonikern, Sie
haben viele nationale und internationale Preise gewonnen. Nun treffen Sie als Profi auf
unser Amateurorchester. Warum haben Sie sich entschieden, gemeinsam mit uns zu
musizieren?
Johanna Pichlmair: In erster Linie liegt es an Mariano Domingo, der ja viele
Amateurorchester dirigiert – und Ihres auch. Wir haben beide am Mozarteum studiert,
kannten uns aus dieser Zeit und haben bereits gemeinsam das Beethoven Violinkonzert
erarbeitet; damals auch mit einem Amateurorchester. Das habe ich in bester Erinnerung.
Das zeigt, Sie haben keine Berührungsängste mit der Amateurmusik–Szene.
Johanna Pichlmair: Nein, überhaupt nicht. Ich empfinde es vielmehr als große Bereicherung
für beide Seiten. In Amateurorchestern treffen sich Menschen, weil sie gemeinsam aus
reiner Freude Musik miteinander machen möchten. Man spürt ihr Herz und ihre Seele dabei
– auch wenn sie nicht, wie die Profis, mehrere Stunden am Tag üben und proben können.
Diese innere Beteiligung berührt auch mich als Berufsmusikerin und ich finde das eine tolle
Verbindung.
Sie sagen, Sie haben den Tschaikowsky vor 15 Jahren das letzte Mal gespielt. Wie gehen
Sie nach so langer Zeit erneut an dieses Stück heran?
Johanna Pichlmair: Ein wesentlicher Unterschied zu früher ist es, dass ich inzwischen alle Werke alleine
vorbereite, ohne den regelmäßigen Austausch mit einer Professorin zu haben. Dadurch ist es
auch wirklich meine eigene Interpretation. Hinzu kommt, dass man nach mehreren Jahren
Berufserfahrung viele Dinge aus dem Orchesterleben in diese Interpretation einfließen lässt. Man weiß einerseits viel genauer, worauf es im Orchester ankommt, aber auch, was für den
Solopart wichtig ist.
Unser Orchester probt bereits seit mehreren Monaten das Tschaikowsky–Violinkonzert.
Gemeinsam mit Ihnen werden wir es vor dem Auftritt vielleicht drei Mal spielen. Mit
welcher Erwartung treffen Sie auf uns?
Johanna Pichlmair: Ich gehe an jedes Projekt – egal ob es sich um ein professionelles Orchester oder um ein
Zusammenspiel mit Laien handelt – erst einmal ohne vorgefertigtes Bild in meinem Kopf
heran. Ich bin gespannt, auf so viele engagierte Musikerinnen und Musiker zu treffen und
vertraue natürlich sehr auf den Dirigenten. Im Vorfeld haben sowohl das Orchester als auch
ich das Stück gut geprobt – wir müssen es dann nur noch zusammensetzen. Wichtig ist mir,
dass wir uns alle auf Augenhöhe begegnen. Das ist der Vorteil bei solchen Projekten; hier
passiert viel auf der menschlichen Ebene. Oft spielen Laienmusikerinnen und –musiker ein
Stück zum ersten Mal. Sie erfinden es für sich neu und wachsen manchmal im Konzert über
sich hinaus. Das finde ich sehr faszinierend!
Wie ist es für Sie, auf so eine große, neue Gruppe zu treffen und in kurzer Zeit eine
Verbindung zu ihr aufbauen zu müssen?
Johanna Pichlmair: In der Regel begegnet man sich in solchen Projekten auf einer sehr schönen persönlichen
Ebene. Gerade mit Laienorchestern entsteht immer eine besondere Atmosphäre. Natürlich
werde ich bei unseren Proben schnell herausfinden, wie wir zusammenpassen. Ich freue
mich darauf, das musikalische Empfinden der anderen zu spüren, sie mit meinem Spiel zu
inspirieren und das Stück auch ein wenig in eine bestimmte Bahn zu lenken.
Das heißt, Sie können uns ein wenig „führen“?
Johanna Pichlmair: Das ist natürlich Aufgabe des Dirigenten. Aber als Solistin bin ich so eine Art Zugpferd. Ich
möchte die anderen mitnehmen und von außen etwas Wertvolles hineinbringen, um am
Ende einen gemeinsamen Klang zu entwickeln.
Und was können wir Ihnen entgegenbringen, damit Sie sich mit unserem Orchester
wohlfühlen?
Johanna Pichlmair: Ich finde es wichtig, dass alle Musizierenden ihre Ohren für das ganze Orchester öffnen.
Häufig tendiert man ja dazu, sich stark auf das eigene Notenblatt zu konzentrieren und
überhört, was sich am Nachbarpult so tut. So wie ich die Partitur studiere, hilft es mir, wenn
auch die Orchestermitglieder meine Solostimme gut kennen – und das, was die anderen
spielen. Meist ergeben sich dadurch nochmal richtige Aha–Momente, wenn man hört, dass
man z.B. identische Passagen mit der Oboe oder den Bratschen hat. Und dann darf man sich
auch mal freundlich dabei anlächeln.
Wir freuen uns auf viele solcher Momente mit Ihnen. Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Sandra Arens.