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Ein Urgestein des BBSO – Hermann Heilbronner

Orchester

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Eine Umarmung hier, ein kurzer Plausch da. Geige auspacken, Stuhl rücken, Noten sortieren und dann: Proben! Nichts anderes möchte Hermann Heilbronner mittwochabends machen; und das seit 60 Jahren. Gut, dann und wann hat sich in all der Zeit der Wochentag geändert. Aber das Gefühl! Das Gefühl fürs Berlin-Brandenburgische Sinfonieorchester war immer verlässlich. Immer da. Gleichbleibend zugewandt, leidenschaftlich und liebevoll. Und nun also Jubiläum. 60 Jahre wunderbare Orchestermusik. Was für ein Fest! Auch für Hermann Heilbronner persönlich. Denn er hat das BBSO, damals das Lehrerorchester, im Jahr 1964 mitgegründet. Der 93-jährige Musiklehrer kennt jedes Auf und Ab, jedes gespielte Stück, jeden Dirigenten – und ist bis heute fester Bestandteil des Orchesters. An die Anfänge erinnert er sich gestochen scharf. Alles begann im heutigen Immanuel-Kant-Gymnasium im Osten Berlins. Der Plan war klar: Ein großes Sinfonieorchester sollte entstehen. Treffpunkt: Musikraum, wer kommt, der kommt. Nun gut, es kam gerade mal eine Handvoll Lehrerinnen und Lehrer. Macht nichts, große Pläne brauchen Zeit. „Wir wollten einfach unheimlich gerne wieder Musik machen“, sagt Hermann Heilbronner. Ja, wieder. Denn zwei Jahre zuvor gab es bereits ein Ensemble von Lehrerinnen und Lehrern. Dirigiert wurde es vom Direktor des damaligen Instituts für Musikerziehung, Professor Erwin Klest. Als dieser starb, brach das Orchester auseinander. Zwei Jahre hielten die Musikerinnen und Musiker still, dann rappelten sie sich auf zu ihrem Neuanfang.

Nun also: Musikraum. Egal, wie klein die Truppe war, einen Dirigenten hatte sie bereits, Willi Niepolt. Zusammen mit ihm entstand das neue Orchester, das sich eingliederte in das sogenannte Berliner Lehrerensemble, ein Zusammenschluss von verschiedensten Musik-Gruppen – von Volkstanz, Chor bis hin zur Jazz-Kombo. Der Name des brandneuen Orchesters lag auf der Hand: Berliner Lehrer-Sinfonieorchester. Und auch der Probenort stand fest, das „Haus des Lehrers“ am Alexanderplatz. Ein neues Orchester für Musik-Amateurinnen und Amateure? Das sprach sich schnell herum. Und aus dem Streicher-Ensemble entwickelte sich zügig genau das, was die Musikraum-Gruppe wollte: ein echtes Sinfonieorchester. „Wir waren ganz schnell auch nicht mehr nur Lehrerinnen und Lehrer“, betont Hermann Heilbronner. „Wir waren offen für alle, die Lust darauf hatten, große Werke aufzuführen, ihr Instrument beherrschten und mit Leidenschaft spielten.“ Diese Offenheit und das Willkommenheißen – Hermann Heilbronner schätzt es bis heute. Wer neu ist beim BBSO, kann sicher sein: Mindestens ein mutmachendes Lächeln gibt es bei der ersten Probe von unserem Geiger. Und bei der zweiten? Vielleicht schon die erste Umarmung – und dazu eine Anekdote vom letzten Kurztrip an die Ostsee. Da ist er so gern mit seiner Frau.

Anekdoten, ja, die hat Hermann Heilbronner mit seinen 93 Jahren jede Menge. Viele davon haben mit dem BBSO zu tun. Der allererste Auftritt in der Kongresshalle am Haus des Lehrers – welch Aufregung! Dann sein großer Höhepunkt, als er selbst, als Stellvertreter des damaligen Dirigenten, plötzlich das Orchester dirigieren durfte. „Das waren die Haydn-Sinfonie Nummer 103 mit dem Paukenwirbel, Mozarts Zauberflöten-Ouvertüre“ und Telemanns Bratschenkonzert. Solist damals: Lothar de Maiziére. „Ein erhebendes, stolzes Gefühl“, erinnert er sich. Er erinnert sich aber auch an Zeiten der Unsicherheit. Die Wende kam – das Berliner Lehrerensemble löste sich auf. Schon wieder ein Ende für das Orchester? Im Gegenteil. Hermann Heilbronner entschied sich, mit seinen Musikerfreundinnen und -freunden einen eigenen Verein zu gründen. Da längst auch viele Mitspielende extra aus Brandenburg zu den Proben anreisten, war schnell ein neuer Name gefunden: Berlin-Brandenburgisches Sinfonieorchester e.V. Es ging also weiter!

Zig Konzerte haben bis heute einen festen Platz in Hermann Heilbronners Herz. Die Beethoven-Sinfonien 1, 2, 4, 6 und 7 – „an die fünfte haben wir uns bis zum Jahr 2022 nicht rangetraut, mit unserem Dirigenten Mariano Domingo war es dann aber soweit!“ Und dann noch die vielen Konzerte extra für Schülerinnen und Schüler. Aber nicht nur die großen Auftritte sind es, die Hermann Heilbronner immer mit sich trägt. Es sind auch die kleinen, feinen Momente, die entstehen, wenn Menschen zusammenkommen, Freundschaften knüpfen und sich über die Musik miteinander verbinden. „Als mein Holger, meine Ulrike und meine Karin zu meinem 80. Geburtstag Pachelbels Canon in D für mich gespielt haben, hat mich das sehr berührt.“ Er selbst setzte sich ans Klavier. Er ist eben ein Macher, der Hermann. Seine Ulrike und seine Karin – die hatte er damals auch ins Orchester geholt. Sie waren seine Schülerinnen. „Und jetzt sind die beiden auch schon Rentnerinnen, da sieht man mal, wie alt ich bin!“, sagt er und lacht.

Aber genug von der Vergangenheit! Unser ältestes Mitglied ist kein Mensch, der nur nach hinten blickt. Ganz im Gegenteil. Hermann Heilbronner lebt in der Gegenwart, gibt immer noch Klavierunterricht und singt im Chor. Und: Er freut sich auf die Zukunft. „Dass wir zum 60. Bestehen des Orchesters im Konzerthaus auftreten, ist sehr besonders für mich“, sagt er. Vorher geht es aber erstmal noch an seine geliebte Ostsee, Aufregung hin oder her. Mit dem Alter kommt eben auch die Gelassenheit. Und von der können wir alle etwas lernen – in unserem Orchester der Generationen. Das jüngste Mitglied, unsere zweite Querflöte, ist 19 Jahre alt. Und zwischen ihr und Hermann Heilbronner sind alle Jahrzehnte vertreten. Was muss es für ein Gefühl sein, wenn Hermann Heilbronner mittwochsabends zwischen all diesen vielen Musikerinnen und Musikern sitzt – und weiß, all das hat er mitaufgebaut? „Ach“, sagt er und winkt ab. „Ich bin doch bloß einer von sechzig.“

Lieber Hermann, das sehen wir aber ganz anders. Ohne dich wären wir alle nicht beisammen, wären uns womöglich nie begegnet und würden nicht stetig neue wunderbare Erinnerungen schaffen.
Vielen Dank für alles! Dein BBSO. Vielen Dank für alles! Dein BBSO.


Text: Sandra Arens